Wissenschaftliche Studien über die Zuverlässigkeit und Relevanz neuer tierversuchsfreier Ansätze und Methoden

Forschung über Alternativen zu Tierversuchen im Auftrag der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA)

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Die Europäische Chemikalienagentur (European Chemicals Agency – ECHA) hat ein Konsortium unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM damit beauftragt, wissenschaftliche Studien über die Zuverlässigkeit und Relevanz neuer tierversuchsfreier Ansätze und Methoden, sogenannte New Approach Methodologies (NAMs), durchzuführen und die Verwendung solcher Methoden in Zukunft zu fördern. Ziel des Auftrags ist es, die Anerkennung von NAMs durch die Regulierungsbehörden zu erreichen, wobei der Schwerpunkt auf sogenannten »Omics-Technologien« und Toxikokinetik liegt, und damit die Zahl der Tierversuche, die im Rahmen der Sicherheitsbewertung chemischer Stoffe durchgeführt werden, weiter zu verringern. Fraunhofer ITEM, Michabo Health Science und BASF Metabolome Solutions koordinieren das Auftragsforschungsprojekt. Der Auftrag hat eine Laufzeit von sechs Jahren und wird mit insgesamt 4,2 Millionen Euro durch ECHA gefördert. Weitere Partner sind die Abteilung für experimentelle Toxikologie und Ökologie der BASF, die Universität Birmingham sowie die Biotech-Unternehmen BioClavis und Novogene Europe.

© Fraunhofer ITEM, Ralf Mohr

Die Toxikologin Dr. Sylvia Escher, Abteilungsleiterin In-silico-Toxikologie am Fraunhofer ITEM, betont: »Dieses Projekt wird dazu beitragen, NAMs wie Multiomik und physiologisch basierte kinetische Modellierung in die Risikobeurteilung zu integrieren, so dass es möglicherweise nicht mehr erforderlich sein wird, Tierversuche für jeden einzelnen Stoff durchzuführen.«

Die Forschungspartner werden die ECHA dabei unterstützen, Leitlinien zu entwickeln, die zur zuverlässigen Vorhersage der Eigenschaften von Stoffen verwendet werden können, für die noch keine ausreichenden Sicherheitsinformationen vorliegen. Der »Grouping and Read-Across«-Ansatz nutzt vorhandene Toxizitätsdaten von strukturähnlichen Stoffen, um diese Vorhersagen zu treffen – eine Methode, die bereits angewendet wird, um Datenlücken bei Registrierungen im Rahmen der REACH-Verordnung (EU-Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe) zu schließen. 

Ein Forschungsschwerpunkt ist, die Aussagekraft von Omics-Technologien bei der Sicherheitsbewertung chemischer Stoffe zu evaluieren. Mit diesen Technologien können unter anderem die Aktivierung von Genen (Transkriptomik) oder ganze Stoffwechselprozesse (Metabolomik) in kultivierten Zellen oder einem lebenden Organismus untersucht werden. 

Mit Omics-Technologienn können Forschende viele verschiedene Veränderungen in einer biologischen Probe messen, um festzustellen, ob Substanzen ein Gefährdungspotenzial haben. Mithilfe von Transkriptome-Daten kann beispielsweise ermittelt werden, wie sich die Aktivitäten von Genen nach der Exposition gegenüber einem bestimmten Stoff verändern. Forscher können dadurch Rückschlüsse auf Veränderungen in Zellen oder Organen ziehen. Metabolomische Analysen können zur Untersuchung von Stoffwechselprodukten, wie Aminosäuren, Lipiden oder Hormonen, in Zellen verwendet werden. Auf Basis etwaiger Veränderungen können Aussagen über die Gesundheit eines Organismus getroffen werden, ähnlich einer Blutuntersuchung beim Arzt.

Das Ziel des Forschungsteams ist es zu ermitteln, unter welchen Bedingungen Omics-Technologien relevante und wiederholbare Erkenntnisse zur Bewertung der Sicherheit von chemischen Substanzen liefern können. Regulierungsbehörden sollten dann bei der Bewertung von Stoffen auf diese Erkenntnisse zurückgreifen können, was den zukünftigen Bedarf an Tierversuchen weiter verringern könnte. 

Im Rahmen des Projekts werden auch Methoden bewertet, um zuverlässige Vorhersagen über die Kinetik von Stoffen in einem Organismus zu treffen, einschließlich der Art und Weise, wie sie aufgenommen, verteilt und ausgeschieden werden, und die Anreicherung bzw. den Abbau von Stoffen zu bewerten. Um die Anwendung und Umsetzung von physiologisch basierten kinetischen (PBK) Modelldaten in der regulatorischen Toxikologie zu erleichtern, wird das Projekt den Anwendungsbereich von PBK-Modellen und deren Eingabeparameter, insbesondere In-silico- und In-vitro-ADME-Parameter, evaluieren. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf einem besseren Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen dieser Methoden sowie derzeitigen Wissens- und Datenlücken.